RP Gießen, Haupt- und Planungsausschuss am 14.10.2024
Stadtverordnete und Regionalversammlungsmitglied Uwe Volz, Bündnis90/Die Grünen (Marburg) begründet den vorliegenden Antrag der Fraktion Bündnis 90/Die Grünen - Linke zur Reduzierung der Fläche G 326 Marburg-Dagobertshausen
9. G 326 (Marburg-Dagobertshausen)soll reduziert werden. (Neues Gebiet)
Begründung:
Schon jetzt arbeiten ca. 6000 Menschen in den Gewerbegebieten Görzhäuser Hof 1 und 2. Wenn das Gebiet Görzhäuser Hof 3 nun erschlossen und bebaut werden soll, werden es noch wesentlich mehr. Die verkehrliche Erschließung für die vielen Arbeitskräfte ist schon jetzt ein Problem. Ein weiteres großes Gebiet an dieser Stelle ist für die Dörfer Michelbach und Dagobertshausen eine sehr starke Belasstung.
Das Gebiet ist deutlich zu nah an der Wohnbebauung von Dagobertshausen gelegen (43m bis zum ersten Wohngebäude). Deswegen sollte das Gebiet deutlich verkleinert werden. Der Abstand zur Bebauung muss wesentlich größer werden. Der Wald sollte erhalten werden. Auch die schon mehrere Jahrzehnte bestehende Ausgleichsfläche muss ausgespart werden. Das Gebiet Görzhäuser Hof 3, für das Dagobertshausen als Ersatz (Potentialfläche für den Pharmastandort) dienen soll, ist 7-8 ha kleiner. Also könnte das neue Gebiet auch entsprechend verkleinert werden.
https://sessionnet.owl-it.de/rp-giessen/bi/si0057.asp?__ksinr=2360
Stadtverordnetenversammlung am 22.03.2024: Regionalplan Mittelhessen – Nachmeldung einer Fläche zwischen dem Gewerbestandort „Görzhäuser Hof“ und Dagobertshausen im Zuge der Offenlage des Regionalplans Mittelhessen 2020
https://www.marburg.de/allris/vo020?VOLFDNR=1002818&refresh=false&TOLFDNR=1012469
Abstimmungsergebnis:
Ja-Stimmen: CDU/FDP/BfM, B90/Die Grünen, SPD, Klimaliste Marburg, AfD
Nein-Stimmen: MarburgerLinke & PIRATEN, Die Linke
Enthaltungen: keine
Beschluss:
Juni 2024
Was meint der OB, wenn er sagt ... was will er tatsächlich? Sind die vielfachen Hürden tatsächlich allesamt kein Problem?
Fazit:
OB Spies will durch das RP Gießen eine 24 ha (Gewerbe- und Industrie) „Potenzialfläche“ Görzhausen IV in Dagobertshausen in unmittelbarer Nähe zum reinen Wohngebiet
ausweisen lassen, mit der er Investoren, die laut Pharmaserv einen dringenden Bedarf für die Weiterentwicklung von GH I, II und III vor Ort haben, für eine ganz andere weiter entfernte Fläche
(z.B. Spiegelshecke) anwerben will. Es wirkt wie ein unausgereiftes, nahezu paradoxes Gedankenspiel. Laut OP vom 25.03.2024 hat OB Spies im Frühjahr noch das Gegenteil verkündigt: „Auf
„Görzhausen IV“ verzichten könne man aber nicht, da Lahntal „nicht in der Kontinuität des Pharmastandorts stehen“ würde, entgegnet Spies. Heißt: Als Expansionsfläche für Bestandsfirmen wie CSL,
Biontech oder GSK komme Goßfelden nicht in Frage – für Neuansiedelungen aus zumindest verwandten Branchen sehr wohl.“ Nun soll die Potenzialfläche lt. jüngster Verlautbarung – auch
längerfristig – gar nicht bebaut werden. Wenn aber doch, dann wird bereits jetzt für die beabsichtigte Zwischennutzung als Freiflächenphotovoltaikanlage (25 Jahre Betriebsdauer) ein Verlustausgleich in Aussicht gestellt. Und den alarmierten Bürger/-innen von Dagobertshausen wird für diesen
(unwahrscheinlichen?) Fall bereits heute versprochen: Die Pharmabranche sei im Hinblick auf Lautstärke, Müll und Umfang des Lieferverkehrs unkritisch und mit einem Grüngürtel könne man das
Gewerbegebiet „praktisch verbergen". Görzhausen IV wäre für Dagobertshausen kaum wahrnehmbar.“
Klimanotstand, Flächenversieglung, Waldrodung, Biotop, Natur- und Umweltschutz? Ebenfalls alles kein Problem. Dass nach Aufnahme von GH IV in den Regionalplan
Mittelhessen zu einem Gewerbe- und Industriegebiet umgewandelt wird – sodann eigentlich Ausschlusskriterium für eine Solar-Nutzung nach Zielen des Teilregionalplans Energie Mittelhessen 2016 –
auch kein Problem, das nennt sich einfach solare Zwischennutzung. Obwohl Gewerbeflächen, so die Marburger Stadtplanung noch im Jahr 2022, vom städtischen PV-Plan ebenso ausgenommen seien wie
Äcker mit guten Böden zur Nahrungsmittelproduktion. Evtl. kritische Einwände der anstehenden strategischen Umweltprüfung bei RP Gießen – vielleicht dann auch kein Problem!
Wer soll das alles glauben?
Sofern Spies nicht völlig planlos agiert, versucht er mit dieser Kommunikations- und Vernebelungstaktik Wirtschaftsinteressen, Politik und Bürgerschaft zu entsprechen, sich den jeweiligen Stimmungstrends anzupassen und die öffentliche Meinung zu beeinflussen.
OB Spies hält sich alle Optionen offen und die Bewohner/-innen von Dagobertshausen für nicht bei klarem Verstand!?
„OB Dr. Spies betont wiederholt die Vorläufigkeit und Unkonkretheit einer zunächst „rein theoretischen Erweiterung des Pharmastandorts in der ferneren Zukunft“. Diese Nachmeldung bedeute erstmal nur, dass das Regierungspräsidium Gießen als „Herr des Verfahrens“ prüfe, „ob die Stadt überhaupt darüber nachdenken dürfe, hier eine Gewerbefläche zu entwickeln“. Vielleicht würde gar keine Bebauung kommen. Er wisse, dass das Vorhaben eine Zumutung für Dagobertshausen sei. Die Pharmabranche sei jedoch im Hinblick auf Lautstärke, Müll und Umfang des Lieferverkehrs unkritisch und mit einem Grüngürtel könne man das Gewerbegebiet „praktisch verbergen". Görzhausen IV wäre für Dagobertshausen kaum wahrnehmbar.“
(Unzensierter Protokoll-Entwurf zur Ortsbeiratssitzung vom 13.03.2024,
auf https://www.dagobertshausen.website/ortsbeiratsarbeit/ veröffentlicht)
Mehrdeutige Ziele von GH IV – von vagen Ideen, handfesten Strategien hin zum Werbemittel
Die Ziele zur Nachmeldung des 24 ha Gewerbe- und Industriegebiets Görzhausen IV werden von OB Spies mehrdeutig umrissen. Einerseits sind es eher vage Ziele, die den
Charakter vorläufiger Ideen haben wie z.B. „Erweiterung des Pharmastandorts in der ferneren Zukunft“. Andererseits werden unternehmerische und wirtschaftliche Interessen eingesprenkelt:
„unzweifelhafte Entwicklungs-
perspektive für Unternehmen schaffen … langfristig Investitionen am Standort sichern … Gewerbesteuereinnahmen … Wohlstandssicherung künftiger Generationen.“ (Pressemeldungen, Website Stadt Marburg, Verlautbarungen in Gremien etc.).
Nach erheblicher Kritik durch die Bürgerschaft, Beschluss des Ortsbeirats vom 13.03.2024, Stellungnahmen der Umweltvereinigungen NABU e.V. und BUND e.V. und der BI Kein Görzhausen IV – STOPP den Flächenverbrauch e.V. lässt die Stadt verlautbaren (OP am 29.03.2024): Die Marburger Stadtplanung hat zuletzt immer wieder betont, dass „Görzhausen IV“ nur als große Gewerbefläche, aber eigentlich auch längerfristig nicht bebaut werden soll. Vielmehr soll das Gebiet, sofern es ab Herbst 2024 überhaupt in den Regionalplan aufgenommen wird, nur als eine Art Werbemittel dienen. „Wie die OP berichtete, erklärte Oberbürgermeister Dr. Thomas Spies (SPD) das Vorhandensein einer solchen Fläche als strategisches Mittel des Magistrats, um in Gesprächen mit international tätigen Konzernen eine große Potentialfläche vorweisen zu können, diese aber von anderen Standorten, wie zum Beispiel dem neuen Interkommunalen Gewerbegebiet „Spiegelshecke“ überzeugen zu können.“
Intransparenz des Stellenwerts der Nachmeldung – Vorfestlegungen mit RP Gießen
Mit dem Ansatz eines reinen Gedankenspiels „Es gehe erstmal nur darum, der Regionalversammlung eine Anregung zu unterbreiten“ versucht OB Spies die Nachmeldung möglichst niedrig zu hängen. Dabei wird beschönigt und verniedlicht, wohlwissend, dass sie eine weichenstellende Vorentscheidung beinhaltet. Es liegt auf der Hand, dass die Planabsicht der Stadt bereits im Februar dieses Jahres mit dem RP Gießen vorabgestimmt und zur Entscheidungsreife gebracht worden ist. (s. Beschlussvorlage VO/1791/2024 22.03.2024)
https://www.marburg.de/allris/vo020?VOLFDNR=1002818&refresh=false&TOLFDNR=1012469
Freiflächenphotovoltaikanlage – solare Zwischennutzung – Ankauf, Pachten eines Grundstücks?
In der Gemarkung Dagobertshausen ist lt. Beschluss der Stadtverordnetenversammlung (VO/1791/2024) ein Gebiet von ca. 24 ha gegenüber dem Regierungspräsidium zur
Prüfung im Rahmen der Regionalplanung als mögliche Potenzialfläche für Gewerbe mit einer Zwischennutzung
als solare Energienutzung vorgesehen. Dem Magistrat der Universitätsstadt Marburg liegt ein Antrag auf eine Flächennutzungsplanänderung für das Gebiet vor, da die Stadtwerke Marburg gemeinsam mit
weiteren Partnern eine auf 25 Jahre Betriebsdauer ausgelegte, rd. 8 ha große Freiflächenphotovoltaikanlage errichten wollen. Mit einer
Inbetriebnahme wird, die Zustimmung der kommunalen Gremien vorausgesetzt, im Jahr 2025 gerechnet. Die 24 ha befinden sich im Eigentum von sechs unterschiedlichen Personen und Organisationen. Die
zentrale und größte Fläche mit rd. 8 ha befindet sich im Eigentum einer Person.
Sollte es, entgegen dem gemeinsamen Interesse der Beteiligten, durch eine Entscheidung der Stadtverordnetenversammlung bereits vor Ablauf der 25 Jahre zu einer Umnutzung der Fläche als Görzhäuser Hof IV kommen, würde der Betreibergesellschaft ein finanzieller Schaden entstehen, der entsprechend durch die Universitätsstadt Marburg auszugleichen wäre. Um diesen potenziellen Schaden vorab zu bemessen, wurden seitens der zukünftigen Betreibergesellschaft die vorhandenen internen Berechnungen dargelegt.
Ist die Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG), die die Grundstücke rund um das Industrie- und Gewerbegebiet Görzhäuser Hof betreut und in deren Eigentum sich bereits große Flächen befinden, vielleicht – an der Öffentlichkeit vorbei – in Sachen Grundstücksankauf schon tätig geworden?
Die Stadt Marburg hat mit der SEG GmbH ihre Boden- und Immobilienaktivitäten aus dem öffentlichen in den privatrechtlichen Bereich verlagert und überwacht sich durch den Aufsichtsrat selbst. ...
„Dagobertshausen war ursprünglich mal ein ganz kleiner ruhiger Ort. Vielleicht haben sich das manche auch ausgesucht und dafür in Kauf genommen, dass es keinen Kindergarten und keine Schule gibt und die Busverbindung schlechter ist … Dann ist irgendwann ein Hof verkauft worden … mit sehr viel Aufwand hergerichtet worden und der Hof hat jetzt eine große Scheune und darin kann man größere Veranstaltungen machen und das ist viel besser gelaufen als je einer angenommen hat als es losging, muss man wissen. Dann gibt es bei den Besitzern eine Affinität zu Pferden, deswegen haben die dann irgendwann einen großen Reitstall gebaut. Das ist so Schritt für Schritt gewachsen – das war alles vor meiner Zeit … Da ist nicht ein Plan da gewesen, wir setzen jetzt ein Eventzentrum ins ruhige beschauliche Dagobertshausen. Das hätte ja nie ein Mensch gemacht, sondern da gab es Schrittchen für Schrittchen … dadurch hat sich für den kleinen Ortsteil Dagobertshausen eine Spannung ergeben, mit der vorher glaube ich keiner gerechnet hat als das losgegangen ist. Diese Frage muss man jetzt lösen; man muss gucken, wie sorgt man dafür, dass die Interessen der Dagobertshäuser so gut wie möglich gewahrt werden. Zum Beispiel, indem man draußen keine laute Musik machen kann, indem regelmäßig die Polizei, also das Ordnungsamt kommt und misst … Also man hört die dann, aber man hört sie nicht lauter als die Vögel, es ist halt kein Vogel … Ich glaube, wir sollten ´mal zu einem abgeschlossenen Plan kommen, ja, was eigentlich noch drin sein soll und was nicht und dann ist auch ´mal gut. Man muss da ´mal zu einer Klärung kommen und einmal endgültig abschließend sagen …“
(O-TON, OB Dr. Thomas Spies, Vorortdialog Elnhausen - Dagobertshausen 30.09.2020)
Weitere O-Ton-Aussagen von Magistratsmitgliedern 2012 - 2024
Einige Fakten:
Bericht Sitzung des Bau- und Mobilitätsausschusses am 08.05.2024
hier: Tagesordnungspunkte
- Rahmenplanung für den Stadtteil Dagobertshausen VO/1920/2024
- Abriss der Scheune Hof Mengel
Thomas Rautenberg (Dagobertshausen)