"Was mich bewegt, in der BI Kein Görzhausen IV… mitzuarbeiten und zu genau diesem Punkt Stellung zu nehmen, ist, daß die Fläche nicht unbewohnt ist. Es leben dort Füchse, Rehe, Wildschweine, Dachse, Waschbären, Wildkatzen, Eichhörnchen, viele Vogelarten und elf Fledermausarten. Wenn die Fläche gerodet wird, um zu bauen, werden die Tiere, die nicht schnell genug von den Maschinen wegrennen können und die Jungtiere in Höhlen und Nestern sofort sterben. Für die, die fliehen können, wo können sie hin? Wo gibt es, wo Tiere leben können, ohne vom Licht, Lärm und Straßen der Menschen gestört zu werden? Es gibt fast keinen Ort mehr in unserer Region wo Tieren leben können, ohne von Menschen gestört zu werden. Ich sag nicht, dass die Behringwerke die Krebsbehandlung und Impfstoff nicht machen sollen. Wir sind als Menschen eine sehr schlaue Spezies und wir können Lösungen finden, unseren Fortschritt zu machen, ohne die Natur und alle anderen Tieren ständig zu stören und zu zerstören".
Agnes Özen
Die Bürgerinitiative Kein Görzhausen IV – Stopp den Flächenverbrauch! e.V. nimmt die Vorschläge des Haupt- und Planungsausschusses an die Regionalversammlung Mittelhessen am 02.12.2024 zur Aufnahme der beiden Siedlungsgebiete S 313 und S 314 in Michelbach sowie des neuen Industrie- und Gewerbegebietes G 326 in der Gemarkung Dagobertshausen mit großem Bedauern und unter Protest zur Kenntnis.
Erneut und mit Nachdruck weisen wir darauf hin, dass die Politik der konzentrierten Gewerbe- und Industrieausweitung der Stadt Marburg zugunsten eines dominanten Branchenriesen gigantomanische Züge trägt und die gesamte Region wirtschaftlich, infrastrukturell und sozial einschneidend verändern wird. Sie bewegt sich trotz des weltweit wachsenden und wissenschaftlich begründeten Wissens von der Begrenztheit der natürlichen und klimatischen Ressourcen außerhalb einer Vernunft, die auf nachhaltigen Fortschritt aus ist.
Der von der Fraktion Bündnis 90 / Grüne / Linke am 14.10.24 zum VRG Industrie und Gewerbe G 326 vorgelegte und abgelehnte Verkleinerungsantrag und die von der Regionalplanungsstelle Gießen eröffnete Reduzierungsmöglichkeit von 8 ha hätten wichtige Aspekte wie beispielsweise keine Rodung der Waldflächen und Erhalt der Kompensationsfläche aufgegriffen. Beides hätte jedoch nicht ausgereicht, um das Ungleichgewicht zwischen einem kleinen Siedlungsgebiet und einer übermächtigen Freizeit- und Pharmaindustrie in Dagobertshausen abzumildern und weiteren Flächenverbrauch für Siedlungsgebiete in der Region zu verhindern.
Nach wie vor ist auch der Bedarf der Flächennachmeldung von Görzhausen IV aufgrund der offenen Fragen zur Nutzung von GH III, Leerständen und Innenverdichtung unklar und nicht belegt.
In der vorgeschlagenen Verkleinerung der beiden Siedlungsgebiete sehen wir zwar einen Schritt in die aus ökologischer wie ökonomischer Sicht gebotene Richtung. Dieser reicht aber keineswegs aus, um dem gravierenden Verlust an ertragssichernden Böden für die Landwirtschaft und der weiter fortschreitenden Erosion der mittelhessischen Kulturlandschaft in Dörfern westlich von Marburg Einhalt zu gebieten. Allein in Michelbach sind in den vergangenen 70 Jahren ein Viertel der landwirtschaftlich genutzten Flächen zu Industrie- und Siedlungsgebieten umgewidmet worden. Beide Flächen S 313 und S 314 liegen größtenteils auf Böden mit sehr hoher Grundwasser- und Klimaschutzfunktion. Außerdem werden sie landwirtschaftlich dringend benötigt. Für einzelne Landwirte würden diese Bebauungen einen Verlust der betrieblichen Fläche bis zu einem Drittel der jetzigen Größe bedeuten. Es gibt in Michelbach eine große Nachfrage nach Acker- und Grünland, da es derzeit zehn Nebenerwerbslandwirte gibt und fünf junge in der Ausbildung befindliche Landwirte.
Folgende Argumente gegen eine Bebauung des Plangebiets S 313 sind von der Regionalversammlung nicht hinreichend beachtet worden: Topographisch liegt es teilweise in einem Feuchtgebiet. Es grenzt aus westlicher Richtung unmittelbar an das Überschwemmungsgebiet im Ortskern Michelbach an, welches nach den Empfehlungen des Hessischen Ministeriums für Umwelt, Klimaschutz, Landwirtschaft und Verbraucherschutz und auch im Sinne des Handlungskonzepts Klimaanpassung der Stadt Marburg von einer Bebauung ausgenommen sein sollte. Eine Versiegelung dieser Flächen würde zur Verstärkung der Wasserabflüsse in den unmittelbar benachbarten Ortskern im Starkregenfall führen. Weiterhin kann es in diesem Gebiet mit bewusst außerörtlich platzierten Sporteinrichtungen und Höfen mit Reitsportaktivitäten zu Interessenkonflikten kommen.
Dr. Wilhelm Richebächer – Vors. der Bürgerinitiative 2. Dezember 2024
In Ergänzung des Presseberichts vom 2. Regionalpolitischen Dialog dokumentieren wir an dieser Stelle Statements von Mitgliedern bzw. aktiv Tätigen in der Arbeit der
Bürgerinitiative Kein Görzhausen IV – Stopp den Flächenverbrauch! e.V.. Diese Statements wurden jeweils zu den (auch oben im Pressebericht kommentierten) Hauptaussagen der Podiumsteilnehmer:innen
vorgebracht. Sie sollen für Leser:innen den Eindruck von der Diskussion an diesem Abend abrunden. Wir danken allen, die ein Statement vorbereitet und vorgetragen haben.
W. Richebächer
Thema: Hypertropher Flächenverbrauch durch Görzhausen IV (hauptsächlich von OB Dr. Thomas Spies behandelt)
Kommentierendes Statement hierzu von Ute Göbel-Lehnert: Der Bedarf der Flächennachmeldung von Görzhausen IV ist aufgrund der offenen Fragen zur Nutzung von GH III, Leerständen und Innenverdichtung nach wie vor unklar und nicht belegt. Die Ziele der Potentialfläche GH IV werden mehrdeutig umrissen: einerseits sollen nach Aussagen von OB Dr. Spies weitere stabile Entwicklungsperspektiven für die Pharmaunternehmen eröffnet werden, andererseits soll das Gebiet „eigentlich auch längerfristig nicht bebaut werden und nur als eine Art Werbemittel dienen“. Zudem hat die Stadt bei ihren Abwägungsentscheidungen die spezifische Situation von Dagobertshausen, einem der kleinsten Stadtteile Marburgs, nicht hinreichend berücksichtigt, z.B. Größenverhältnis von Siedlung und Gewerbe/Industrie, Nähe zum Wohngebiet und Vorbelastungen durch Freizeitgewerbebetriebe. Ein städtebauliches Gesamtkonzept ist seit vielen Jahren überfällig.
Thema: Ressource Wasser (hauptsächlich von Dr. Anne Archinal behandelt)
Kommentierendes Statement hierzu von Jutta Richebächer: Für die Aussage von Frau Archinal, dass die Regelungen der Natur in Wirtschaftsplanungen latent nicht beachtet werden, möchte ich ein Beispiel hinzufügen: Im Regionalplan Mittelhessen (Entwurf zur Beteiligung, Regionalversammlung Mittelhessen beschlossen am 23.09.2021, S. 176) steht: „Zur Abmilderung der Folgen des Klimawandels sind vor allem Böden zu erhalten, welche die Einflüsse klimatischer Extreme (Hitze, Trockenheit) minimieren...“ Sowohl das neue Siedlungsgebiet „Michelbach Nord“ als auch das gesamte Industriegebiet Görzhäuser Hof sind auf diesen ertragssichernden Böden mit sehr hoher Bedeutung für Grundwasser- und Klimaschutzfunktion in den letzten Jahren gebaut worden (aaO.,Textkarte 4, S. 99). Warum wird - trotz besseren Wissens - wiederholt jetzt das neue Plangebiet G311 auf diesem ertragssichernden Boden ausgelegt? - Klimaneutralität kann nicht erreicht werden, wenn gleichzeitig ertragssichernde Böden versiegelt werden und neue Hitzeinseln wie am Görzhäuser Hof geschaffen werden. Der Energieverbrauch am Pharmastandort, der vollständig in Wärme umgewandelt wird, beläuft sich derzeit auf ca. 250 GWh/Tg und kann sich nach Prognosen in ein bis zwei Jahrzehnten verdoppeln. – Statt dem in der internationalen Wissenschaft beachteten und schon im Maastricht-Vertrag der EU vereinbarten Vorsorgeprinzip dürften auch in der Wirtschaftsplanung nicht immer wieder Risiken eingegangen werden, für deren Ausgleich man noch keine Lösung hat, sondern nur blind darauf vertraut, dass kommende Generationen ‚das schon schaffen würden‘.
Thema: Kompromisse bei Planflächenverkleinerungen in der Regionalversammlung statt Ablehnung – warum? (Frage an Frau Barbara Schlemmer, die erkrankt fehlte)
Kommentierendes Statement hierzu von Barbara Grenz: In einer Demokratie muss Politik zu Kompromissen bereit sein. Das ist richtig. Doch ein Kompromiss kann auch „faul“ sein. Denn er bedeutet in diesem Fall einen erheblichen Eingriff in die Natur – egal ob die Potentialfläche nun voll oder reduziert genehmigt wird: Der Lebensraum von Pflanzen und Tiere wird auch bei einer geringeren Bebauung erheblich gestört sein. Die Klimaschutzschneise wird quer verriegelt sein. Wald, Wiese, Ackerland sind Lebensraum und wertvolle CO² Esser. Die Zeiten sollten endgültig vorbei sein, in denen man diese Erkenntnis in einer Regionalplanung nicht priorisiert.
Kommentierendes Statement ebenfalls hierzu von Agnes Özen: Was mich bewegt, in der BI Kein Görzhausen IV… mitzuarbeiten und zu genau diesem Punkt Stellung zu nehmen, ist, daß die Fläche nicht unbewohnt ist. Es leben dort Füchse, Rehe, Wildschweine, Dachse, Waschbären, Wildkatzen, Eichhörnchen, viele Vogelarten und elf Fledermausarten. Wenn die Fläche gerodet wird, um zu bauen, werden die Tiere, die nicht schnell genug von den Maschinen wegrennen können und die Jungtiere in Höhlen und Nestern sofort sterben. Für die, die fliehen können, wo können sie hin? Wo gibt es, wo Tiere leben können, ohne vom Licht, Lärm und Straßen der Menschen gestört zu werden? Es gibt fast keinen Ort mehr in unserer Region wo Tieren leben können, ohne von Menschen gestört zu werden. Ich sag nicht, dass die Behringwerke die Krebsbehandlung und Impfstoff nicht machen sollen. Wir sind als Menschen eine sehr schlaue Spezies und wir können Lösungen finden, unseren Fortschritt zu machen, ohne die Natur und alle anderen Tieren ständig zu stören und zu zerstören.
Thema: Gleichgewicht Landwirtschaft – Industrie und Gewerbe (hauptsächlich behandelt von Werner Waßmuth)
Kommentierendes Statement hierzu von Hubert Sell: Begünstigt eine Planungspraxis (wie in der Regionalversammlung) mit Bevorratung von wertvollen Ackerböden (die nur scheinbar „leere Flächen“ sind) nicht gerade Bodenspekulationen, die im Widerspruch zu gemeinwohl-orientierten Zwecken stehen? Wenn wir in Deutschland die derzeit noch vorhandene Qualität von Ackerböden (a) durch fortschreitende Neuversiegelung und (b) durch eine anderweitige Nutzung, wie z.B. Photovoltaik in großem Maßstab betreiben, müssen wir uns ernsthaft überlegen, was das im Notfall für unsere Ernährungssicherheit bedeutet. Um das Jahr 1800 betrug die Weltbevölkerung 1 Mrd. Menschen, mittlerweile sind es ca. 8 Mrd. und bis zum Jahr 2100 werden es wahrscheinlich ca.11 Mrd. Menschen sein, Diese steigende Anzahl Menschen zu ernähren, kann nicht auf immer kleinerer Fläche funktionieren, zumal die Ertragssteigerungen in den letzten Jahren, auch durch den Klimawandel beeinflusst, nur marginal waren und mittlerweile stagnieren. Wir leben in Mitteleuropa in einer der fruchtbarsten und ertragreichsten Standorte weltweit, diese Ressourcen sollten tunlichst geschont werden.
Thema: Fachkräftemangel in der Region (Thema gestellt an Kurt Hillgärtner, der erkrankt fehlte)
Kommentierendes Statement hierzu von Anne Ebert- Schreiber und Manfred Schreiber:
Der Fachkräftemangel in Marburg, Hessen, ist eine
ernstzunehmende und wachsende Problematik. Laut Prognosen der IHK Kassel-Marburg könnte die Region Nordhessen, zu der auch Marburg gehört, bis
2035 mit einer Fachkräftelücke von bis zu 88.000 Fachkräften konfrontiert sein.
Gründe für den Fachkräftemangel in Marburg:
Auswirkungen des Fachkräftemangels:
Um die Zahlen des Instituts für Wirtschaft, Arbeit und Kultur im Landkreis Marburg zu untermauern:
Laut Prognosen der IHK Kassel-Marburg könnte die Region Nordhessen, zu der auch Marburg gehört, bis 2035 mit einer Fachkräftelücke von bis zu 88.000 Fachkräften konfrontiert sein.
Handwerker, z.B. Installateure bilden in ihren kleinen Betrieben aus. Die ausgebildeten Fachkräfte werden von den Pharmafirmen durch höhere Löhne abgeworben. Ähnliches geschieht im Gesundheitswesen, z.B. bei Arzthelferinnen.
Bericht 2. Regionalpolitischer Dialog „Görzhausen IV und die Folgen für die Region“ – 13. November 2024, Bürgerhaus Michelbach
Marburg-Michelbach
Rund 70 interessierte Bürgerinnen und Bürger aus Michelbach, Dagobertshausen, Lahntal und der Region folgten der Einladung der Bürgerinitiative
Kein Görzhausen IV – Stopp den Flächen-verbrauch! e.V. am 13.11.2024 ins Bürgerhaus Michelbach. Konkreter Anlass war die anstehende Entscheidung der Regionalversammlung
Mittelhessen (RVM) über die Ausweisung des Gebietes zwischen dem ‚Marsgelände‘ und Dagobertshausen als Potentialfläche für ein künftiges „Görzhausen IV“ im neuen Regionalplan. Hierzu liegt ein
Verkleinerungsantrag der Fraktion Bündnis 90 / Grüne / Linke vor. Die Regionalplanungsstelle Gießen schlägt ebenfalls eine Reduzierungsmöglichkeit von
8 ha vor, z.B. keine Rodung der Waldflächen und Erhalt der Kompensationsfläche/Biotop. Theoretisch kann die Fläche auch noch gestrichen werden.
„Es gibt gewichtige Gründe miteinander zu reden, bevor es zu spät ist. Sich offen den Fragen und Einwänden von Bürger/-innen stellen und ihre Argumente hören – das ist gelebte Demokratie. Die nachhaltige Entwicklung in eine ökonomisch wie ökologisch verantwortbare Zukunft kann nicht mehr nach der Methode ‚Immer mehr vom selben‘ erreicht werden. Für diesen wirklichen Fortschritt tritt unsere BI ein. Sie versteht sich nicht als Konkurrenz zu gewählten politischen Gremien wie z. B. Ortsbeiräten, sondern als eine freie Stimme aus der Bürgerschaft in der Sorge um die Zukunft unserer Ortschaften“, führte Dr. Wilhelm Richebächer, Vorsitzender der BI und Moderator des Dialogs, bei seiner Begrüßung aus.
Trotz krankheitsbedingter Absagen konnten als Podiumsgäste neben Dr. Anne Archinal (Vorsitzende der AG „Rettet den Burgwald“), drei Kommunal- und Regionalpolitiker/-innen bzw. Mitglieder der RVM begrüßt werden: Dr. Thomas Spies (SPD, OB Stadt Marburg und Mitglied des Haupt- und Planungsausschusses/HPU RVM), Werner Waßmuth (CDU, Landkreis Marburg-Biedenkopf, Vorsitzender HUP RVM), Carsten Laukel (Bürgerliste, Bürgermeister Gemeinde Lahntal). Die von Uwe Volz (B90/Die Grünen, Stadtverordneter Marburg und stellvertretender Vorsitzender der RVM/Mitglied des Ausschusses für Energie, Umwelt, ländlichen Raum und Infrastruktur) zugeleitete schriftliche Beantwortung einer Frage zur Wegnahme des Status „Vorbehaltsgebiet Klima“ für Michelbach wurde vom Moderator verlesen.
Aus dem Medienbereich war Regionalreporterin Anna Spieß vom Hessischen Rundfunk vertreten.
Genug ist genug – STOPP den Flächenverbrauch!
Vertreterinnen der veranstaltenden Bürgerinitiative und der Stadtteilinitiative Leben und Wohnen in Dagobertshausen führten in die Thematik ein. Jutta Richebächer skizzierte die gravierenden Folgen einer erneuten Erweiterung über Görzhausen III hinaus im Hinblick auf Flächenverbrauch, Verluste für die Landwirtschaft, Schwächung der Luft-Zirkulationsverbindung zur Lahn durch Verriegelung der Frischluftschneise, gigantische Wärmeemissionen, Wasserverbrauch und Verkehrszunahme für die Region. „Eine derart geballte Belastung mit Industrie und Gewerbe-Ansiedlungen – nämlich 66% der gesamten Neuausweisung in Michelbach und Dagobertshausen gegenüber 34% im übrigen Stadtgebiet – ist nicht verantwortbar“, zumal Stromtrasse (Rhein-Main-Link), großflächige Photovoltaik-Freiflächenanlagen und rd. 7 Windräder hinzukommen würden. Ute Göbel-Lehnert veranschaulichte die nach Sicht vieler Dagobertshäuser Bürger/-innen unverantwortliche Zukunftslage ihres „Dorfes in der Zange“ zwischen Industrie und Gewerbe, wenn nach Planumsetzung von Görzhausen IV und der geplanten Erweiterung der Reitsportanlage künftig 44 ha gewerblicher und industrieller Landnutzung in einem der kleinsten Stadtteile Marburgs von nur 360 Einwohner/-innen rund 17 ha Siedlungsraum gegenüberstünden. „Die fortschreitende Expansion der hiesigen Freizeitgewerbebetriebe und eine Ansiedlung von Görzhausen IV sind völlig gebietsunverträglich. Ein städtebauliches Gesamtkonzept ist seit vielen Jahren überfällig“, so Göbel-Lehnert.
Politiker/-innen, BI-Vertreter/-innen und Bürgerinnen im „Schlagabtausch“
OB Dr. Spies bekundete sein Erstaunen und Freude über das große Interesse der BI wie aller Anwesenden am Regionalplan Mittelhessen: „Das hat es in früheren Zeiten so nicht gegeben.“ Nach seiner Ansicht sei eine Verkleinerung der angemeldeten „Potentialfläche“ von 24 ha nicht im Interesse von Dagobertshausen. Je mehr Potentialfläche für Görzhausen IV ausgewiesen würde, desto mehr Ausgleichsfläche (25% der Potentialfläche) müsste am Ort geschaffen werden. Letzteres ließe sich doch so gestalten, dass von dem benachbarten Gewerbegebiet die Wohnqualität in Dagobertshausen möglichst wenig beeinträchtigt würde. Zur Frage nach der Füllung von Leerständen und der Verdichtung bereits vorhandener Standortgebiete (wie von der Stadt für GH I und II und das Hauptwerk Z / Marbach angekündigt) bekräftigte Spies den Grundsatz des Magistrats, dass immer Verdichtung vor Neuversiegelung komme. Letztere sei jedoch um der wirtschaftlichen Entwicklung willen auch nicht zu vermeiden. Im Übrigen diene die Ausweisung von ‚Görzhausen IV‘ lediglich dazu, den Pharma-Unternehmen zu signalisieren, dass am Standort noch Erweiterungsmöglichkeiten existieren würden.
Der Annahme, dass die Ausweisung von möglichst viel Potentialfläche im Interesse der angrenzenden Bevölkerung sei, wurde heftig widersprochen, zudem der Bedarf unklar bzw. nicht belegt sei. Außerdem setze sich nach dieser Logik der ohnehin schon „galoppierende“ Flächen- und Naturverbrauch fort. Das bundesweite Ziel der Senkung des Nettoflächenverbrauchs auf „Netto-Null“ bis 2050 werde damit immer unwahrscheinlicher. Zudem zeige die Erfahrung, dass einmal ausgewiesene Gewerbeflächen früher oder später auch entsprechend genutzt würden. So plane die Stadtentwicklungsgesellschaft (SEG) für die von ihr bereits erworbene Potentialfläche nicht nur den zeitnahen Aufbau von Photovoltaikanlagen, sondern habe bereits jetzt Beschlüsse zur Entschädigung von Photovoltaik-Investoren für den Fall des vorzeitigen Abrisses der Anlagen gefasst. Weshalb dies, wenn nicht zwecks einer zügigen Zuführung des Geländes an eine pharmaindustrielle Nutzung?
Stadt Marburg und RP Gießen schieben die Verantwortung hin und her
Werner Waßmuth (CDU) verwies auf das Landesplanungsgesetz, das eingehalten werden müsse. Die Regionalversammlung trage keine Verantwortung für den Gesamtvorgang, sondern mache lediglich eine „Angebotsplanung“. Die Letztentscheidung treffe die Kommune nach Abwägung unterschiedlicher Interessen. Er betonte, dass mit einem möglichen Beschluss der RVM in der öffentlichen Sitzung am 2.12.2024 (Rathaus Buseck) zu Görzhausen IV zunächst einmal „nur“ die Voraussetzung für weitere Planungsschritte geschaffen würde. Die Diskussion um Qualitätskriterien und Ausschlusskriterien beginne erst im Zuge der Bauleitplanung.
Dr. Anne Archinal verwies auf die rasant zunehmende klimapolitische Problemlage, die eine verantwortungsvoll handelnde Regionalversammlung bei ihren Entscheidungen zu berücksichtigen habe.
Ebenso vehement widersprachen Bürger/-innen: „Eine verantwortliche und qualitativ bewertende Aufgabenwahrnehmung seitens der Regionalversammlung wird dadurch verweigert.“ Eine Vertreterin der BI wies darauf hin, dass der Magistrat im Zusammenhang mit Görzhausen IV genau umgekehrt argumentiert habe, wonach die Regionalplanungsstelle des RP Gießen die aktive Kraft sei. So erodierte, an diesem Abend deutlich spürbar, das gegenseitige Hin- und Herschieben von Verantwortung einmal mehr das Vertrauen in die politischen Handlungsakteure. Das Unverständnis der Bürger/-innen wurde nicht geringer nach dem Hinweis des Moderators auf das presseöffentlich ausgetragene Gegeneinander-Ausspielen von Moischter Gewerbeflächen und ‚Dagobertshausen‘ / ‘Görzhausen IV‘ ohne sachlogisch einleuchtende Begründung durch die politisch Verantwortlichen.
„Marburg hat ein ausgeprägtes Soziales Angebot, das finanziert werden muss. Es gehen u.a. 12% der Kapitalertragssteuer in die kommunale Kasse“, versuchte Werner Waßmuth das Planvorhaben zu begründen. Auch bestünde die Gefahr, dass die weltweit agierenden Konzerne weggehen könnten. Inwieweit solche Konzerne sich eher aus Gründen wie dem künftigen wirtschaftlichen Protektionismus der USA als unzuverlässige Größe erweisen könnten, wurde von der BI zu denken gegeben.
Dr. Archinal führte aus: „Wir sind Klimaleugner, wenn wir weiter so machen wie bisher; das betrifft auch Regionalplaner. Wir handeln fortwährend in unserem Wirtschaften gegen die Naturgesetze." Ein Grund dafür sei auch unsere unsachgemäße Vorstellung von Böden. Diese umfassten nicht nur eine Erdoberfläche mit Bewuchs, Bewaldung oder Tieren darauf. Vielmehr verberge jeder Quadratmeter ein Hundertfältiges der an der Oberfläche sichtbaren Lebewesen und Nährstoffe. Diese seien in keiner Weise „umzusiedeln“, um den Weg für neues Bauen schnell frei zu machen.
Bürgermeister Laukel erklärte zu den infrastrukturellen Erfordernissen im Lahntal, durch welches auf der B 62 nach Abschluss der Errichtung von Görzhausen III voraussichtlich fast 10000 statt heute 6700 PKW/Tag fahren werden: Zusammen mit der Stadt Marburg würde man an Lösungen des Verkehrsproblems (vor allem durch eine neue zirkuläre Stadtbusführung) arbeiten. Zu den B-Plänen von Görzhausen gäbe es seitens des Lahntals kritische Stellungnahmen hinsichtlich Verkehr, Licht und Luftströmungen. Ein Parkhaus in Sterzhausen nach dem Park & Ride- Modell werde dort abgelehnt. Hinsichtlich einer neuen Fahrradwegverbindung von Marburg bis zum Standort Görzhausen-Standort werde auch eine „Nordumfahrung“ von Wehrda um den Weißem Stein bis nach Görzhausen erwogen.
Viele offene Fragen
Durch das sachkundige Publikum wurden weitere ungelöste Fragen aufgeworfen. Seitens der im Laufe des Abends anwesenden Vertreter der Regionalversammlung kam überraschend häufig der Verweis auf die eigene Nichtzuständigkeit. Die gegebenen Antworten blieben oft strittig. So blieb am Ende neben einem herzlichen Dank an alle Beteiligten der einhellige Appell an die Verantwortlichen der Regionalversammlung, einer Erweiterung der Gewerbeflächen um Görzhausen IV nicht zuzustimmen.
Ute Göbel-Lehnert (15.11.2024)
2. Regionalpolitischer Dialog – Präsentation (PPT) und Fragenkatalog an Politiker/-innen
1. Regionalpolitischer Dialog am 17.09.2024, Thema: Anliegen an Regionalplanung RP Gießen zum Standort Görzhausen
Zum Pressebericht: https://www.kgh4.de/?p=288
Zu Gast waren die Fraktionsvorsitzende Bündnis90/Die Grünen in der Regionalversammlung Mittelhessen, Frau Dr. Christiane Schmahl (Laubach) sowie der Stadtverordnete und Regionalversammlungsmitglied Uwe Volz, Bündnis90/Die Grünen (Marburg). Anlass war die anstehende Entscheidung der Regionalversammlung über die Nachmeldung der Potentialfläche für das geplante „Görzhausen IV“ in der Gemarkung Dagobertshausen durch die Stadt Marburg. Vor der Dialogrunde mit 25 Teilnehmern im Michelbacher Kulturcafé stellte die im vergangenen Jahr von Bürger/-innen aus Michelbach, Dagobertshausen und dem Lahntal gegründete BI einige ihrer Hauptanliegen dar. Danach würde es durch eine Verwirklichung der Standorterweiterung Görzhausen IV (Überbauung weiterer 24 ha) bei gleichzeitiger Niederlassung der mit Görzhausen kooperierenden Pharmaindustrie nahe der B 62 in Lahntal-Gossfelden zu industriellen und gewerblichen Folgeprojekten so erheblichen Ausmaßes in dieser Region kommen, dass menschliches Leben wie auch die Natur unzumutbar davon beeinträchtigt würden.
NABU Marburg e.V., BUND Marburg e.V. sowie Bürgerinitiative Kein Görzhausen IV – stopp den Flächenverbrauch e.V. und Stadtteilinitiative Leben und Wohnen in DAGO
Gefreut haben sich die Veranstalter über die Teilnahme von rund 70 interessierten Bürgerinnen und Bürgern, darunter die Mitglieder der Regionalversammlung Werner Waßmuth (CDU) und Uwe Volz (BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN), dem Mitglied des ehrenamtlichen Magistrats, Hans- Werner Seitz (BÜNDNIS 90/Die GRÜNEN), Peter Lob (DIE LINKE) und Inge Sturm (Marburger Linke&Piraten), Mitgliedern von Ortsbeiräten und einer Gruppe von Greenpeace!
24 ha = 240000 Quadratmeter Boden (Acker- und Waldflächen)
(1) NABU Marburg e.V. und BUND Marburg e.V.
Nachmeldung einer Industriefläche im Marburger Ortsteil Dagobertshausen für einen neuen künftigen Pharmastandort
Förmliche Beteiligung zum Regionalplan Mittelhessen, hier: Stellungnahme und Fragen an RP Gießen
(2) Bürgerinitiative Kein Görzhausen IV – Stopp den Flächenverbrauch! e.V.
Statement zu den Görzhausen IV-Plänen aus der Sicht der Bürgerinitiative
(3) Stadtteilinitiative Leben und Wohnen in Dagobertshausen
Statement zur Nachmeldung einer Fläche zwischen dem Gewerbestandort „Görzhäuser Hof“ und Dagobertshausen im Zuge der Offenlage des Regionalplans Mittelhessen 2020
Vorsorglicher Einspruch und Bitte um Prüfung 18.04.2024: "Nachmeldung einer Fläche (GH IV Dagobertshausen) im Zuge der Offenlage des Regionalplans Mittelhessen 2020 (VO/1791/2024)" bei der Oberen Landesplanungsbehörde des RP Gießen
Eilanfragen an RP Gießen 20.03./28.03.2024: Nachmeldung einer Fläche von 24 Hektar zwischen dem Gewerbestandort Görzhäuser Hof und Dagobertshausen im Zuge der Offenlage des Regionalplans Mittelhessen 2020
Drei Vereinigungen ziehen gegen „Görzhausen IV“ an einem Strang: Natur- und Umweltschutzverbände BUND-Marburg e.V., Nabu-Marburg e.V. und Bürgerinitiative „Kein Görzhausen IV – Stopp den Flächenverbrauch e.V.!“